17.02.2013

Für eine analoge Kultur.

Hey na. Ich habe einen Büchereiausweis. Das haben, vermute ich, nicht mehr so viele Menschen. Und das finde ich schade. Weil zumindest die Stadtbibliotheken wirklich duftende große Räume, vollgestopft mit Fundgruben von Literatur über Musik bis Spiele sind - in Braunschweig gibt es sogar eine Artothek, wo man sich Kunst ausleihen kann. Wie fetzig ist das? Ich finde das wunderbar. Irgendwie spleenig, aber auch wunderbar. Braunschweig ist übrigens auch so sympathisch, weil man als Neubürger ein Jahresabo für die Bibliothek geschenkt bekommt - Kostenpunkt andernfalls: 12 Euro pro Jahr (übrigens bekommt man auch einmalig freien Eintritt in den Zoo). 

Ich möchte an dieser Stelle euch, liebe Leute, die ihr das Glück habt in einer Stadt mit toller Bib zu wohnen, für so einen Bibausweis begeistern. (Hamburg hat mit den Bücherhallen auch ein riesiges tolles Bibsystem, bei dem ich vier Jahre lang die aberwitzigsten französischen Filme ausgeliehen und geschaut habe. Lemming zum Beispiel. Das war ein ganz abgefahrener Film, bei dem Selda und ich bis zum Ende nicht wussten, ob wir lachen oder weinen sollten. Ein Lemming im Abfluss und am Ende ist eine Frau tot. Wie auch immer. Durch meine Erfahrung in den Bücherhallen Hamburg habe ich eines gelernt: Französische Filme sind abgefahren. Entweder grauselig schlecht, seltsam und makaber oder geniale, stille Meisterwerke, man weiß nie, was man bekommt.)

Ich habe mich also in Braunschweig als Neubürger angemeldet und einen Gutschein für einen Mitgliedsausweis bekommen. Letzte Woche habe ich mir das erste Mal etwas ausgeliehen. Drei CDs und zwei Filme - Zusatzkosten: Keine. Ich hätte auch 20 CDs, sechs Filme und 12 Romane mitnehmen können, wäre auch okay gewesen. Das schöne ist, man kann sich ja auf Verdacht Bücher oder CDs mitnehmen, auch wenn einem nur das Cover oder Einband gefällt - wenn der Inhalt schrottig ist, hat man nichts verloren. 

Kurzer Schlinz in meine Auswahl mit einigen Worten dazu. Weil Sonntag ist und ich einen Feierabendwhisky trinke, im Bett liege und schöne Musik höre. Das habe ich heute zum ersten Mal gemacht. Das mit dem Whisky und einem Eiswürfel.


Jakob Dylan ist - wer hätte es gedacht, vielleicht verrät es ja auch der Name -  der Sohn vom großen Meister Bob und ebenfalls Sänger. Seine rauchige Stimme und sein Gitarrensound gefallen mir richtig gut, das ist wunderschöne Musik, bestens geeignet für Roadtrips, tippe ich mal - das zweite Album women + country liebe ich aber noch ein bisschen mehr. Verbinde gute Stunden damit. Gute Melancholiestunden, wie das halt so ist mit den Countryboys. Guter Mann, der trinkt bestimmt auch gern mal Whisky. (They've trapped us Boys ist vom Album Women + Country).




Ich mochte Reinhard Mey schon immer - das ist nun wirklich Roadtrip-Musik. Zu Reinhard Mey gehört eher ein Wein als ein Bier und ein Sonnenuntergang als ein Sonnenaufgang und lieber zu zweit auf dem Sofa eingekuschelt sein als sich auf dem Weg zur nächsten Party befinden. Mey ist ein wunderbarer Geschichtenerzähler mit einer ganz angenehmen Stimme, nicht so protestierend wie Wader und besser als Wecker. Ich mag ihn sehr und auf dem Doppelalbum sind ganz viele schöne Lieder, die ich noch nicht kannte. Für Reinhard Mey Fans eine Empfehlung.



The National höre ich noch nicht so lange. Was soll ich sagen? Eine tolle Band. Mehr als das Boxer Album kenne ich noch nicht, aber schöne Texte, etwas lauter und rockiger. Ich kann auch gar nicht so genau sagen, was mir an der Band so gut gefällt. Ich liebe, liebe, liebe das Lied einfach (hier nochmal in der Live-Version). Wenn ich das höre, höre ich auf zu reden und höre zu, drehe die Lautstärke auf und versinke kurz für die drei Minuten, um einfach zu lauschen. Das passiert nicht oft. Bei dem Lied schon. So fühlt sich momentan Glück an. David Letterman kriegt sie alle.



Son of Rambow

Mama fand ihn eher scheiße. Ich finde die Bilder, das Licht und die Perspektiven des Films einmalig, die Geschichte ist herzerwärmend. Erinnert irgendwie an Little Miss Sunshine, ist aber doch ganz anders. Der Soundtrack ist ein Zusatzschmankerl und nur für die Idee sollte der Film schon eure kalten Herzen erwärmen: Schadet nicht, den gesehen zu haben!



A serious Man

Den Film habe ich mir ausgeliehen und zuhause bemerkt, dass ich den schon im Kino gesehen habe. Abgefahrener Film über eine abgefahrene jüdische Familie mit schrägem Humor, sehr gelungenem Soundtrack, großartigen Schauspielern und einem sehr unbefriedigenden Ende. Man möchte ausrasten, denn nichts wird gut, auch wenn das immer alle sagen. Ihr werdet euch totlachen. Die Coen-Brüder haben den ja auch gedreht - was will man da erwarten? Ich verbinde mit dem Film schönen Erinnerung: Schau-Empfehlung.



Ich finde es schön, wenn man ein gut gefülltes Bücherregal und kein Kindle-Gerät im Zimmer hat. Ich finde den Geruch von Büchern ebenso gut wie Duftkerzen. Ich finde es auch schön, wenn man Zeitschriften in der Hand hält, sich Kaffeetassenränder auf einzelnen Seiten abzeichnen, wenn sie zerknautscht sind, wenn sie benutzt sind - eMags sind toll, aber eine Kultur des Anfassens ist nicht zu verachten, analoge Speichermedien für die Ewigkeit. Zum Ausleihen, zum Verschenken, mit Liebeswidmung auf der ersten oder der letzten Seite.

Gute Nacht und eine schöne Woche. Over and out.

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