15.12.2011

1000 Millibar

Ich will nicht mehr.
Er stöhnte, starrte das Brot mit dem dünnen, gräulichen Aufstrich und zartem Senfschimmer an.
Was zum Teufel ist so Scheiße daran?
Ich mag kein scheiß Leberwurstbrot mehr. 
Er schob den Teller demonstrativ von sich weg und starrte auf den Boden.
Es war immer dein Lieblingsessen.
Es ist mir zu normal.
Was willst du dann?
Ich will Trüffeln und frische Kräuter und so Geschmacksexplosion halt.
Warum? Du kannst nicht immer Trüffeln haben!
Wieso nicht? Ich habs verdient. Ich bin besser als Leberwurstbrot. 

Es vergingen Wochen und Monate und plötzlich wachte er auf. Des nachts, mittendrin, rastlos, und sein einziger Gedanke galt Leberwurstbrot. Der intensive Geschmack von Leberwurstbrot zersetzte sein Hirn. Vermissen, in seiner sehnlichsten Form, er konnte an nichts anderes denken. Nun gut, es hätte philosophischer sein können, es hätte Adorno sein können oder der Sinn des Lebens oder dingens, wie sagt man, Geschmacksexplosion halt davon lohnt sich wach zu werden, vielleicht, aber da war nur Leberwurstbrot. Und es gab nichts, nach dem er sich mehr sehnte in diesem Moment. Diesen Bissen Leberwurstbrot. Mit einem Hauch von Senf. So wie es viele essen, Hans Peter Klein zum Beispiel. Ein Stückchen Normalität, ein Anker in der Zeit, in der alles so individuell sein muss, losgelöst, frei und unabhängig. Er wollte nichts lieber als sein Leberwurstbrot zurück. Und plötzlich verstand er, dass man im Leben viel erreichen konnte ohne das Leberwurstbrot zu verschmähen. Und plötzlich war er angekommen. Er weinte. Wegen eines Leberwurstbrotes. Kein Gedicht, keine Liebeserklärung, doch, irgendwie schon. Da, wo alle immer hinwollten, in Gedanken war er da. Zuhause, wo auch immer das war. Home is where the Leberwurstbrot is. Bei ihm lag es auf dem Teller, den er vor Monaten von sich gestoßen hatte. 

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