16.11.2011

Lisas liebes aufregendes Nebenjobleben

Es ist 17 Uhr 25. So fahre, nein, rase ich also vom NDR mit meinem klapprigen Fahrgestell nach Hause, stehend, den großen Kopf in den enormen Gegenwind gestreckt, die grünen braunen Haare flattern im Wind, klatschen mir vor die zu mörderischen Schlitzen verengten Augen, meine Ohren glühen rot paradoxerweise vor Kälte, der Nasenrücken glänzt bereits im Schweiße dieser enormen Anstrengung für so ein durchaus als unsportlich zu bezeichnendes Mädchen wie mich und lässt meine glasbausteinähnliche Hornbrille gen Nasenflügel rutschen. Ich schniefe den Kälteschnupfen hoch, mein Mund ist leicht unvorteilhaft geöffnet, irgendwo muss der Sauerstoff ja reinkommen, der Fahrtwind schießt ungebremst und saukalt hinein. Ich bin schneller als, na sagen wir meine Oma, Jan Ulrich wäre bei weitem übertrieben. Es muss ein Bild für die Götter des Untergrunds sein. Nein, es ist nichts Erotisches an mir, jetzt in diesem Moment, sexy ist anders.

17 Uhr 30. Starke Vollbremsung, leichtes Schlingern durch starken Laubbefall auf glattem Asphalt, komme aber doch zum Stehen, schleudere mein Fahrrad gegen den Ständer, mittlerweile durchaus geräuschvoll ziehe ich den Schnupfen hoch, drücke mir mit dem arschkalten roten Handrücken meine Brille hoch, während ich mit der anderen Hand am Fahrradschloss fummele. Die vom Fahrtwind zu dreadlockartigem Filz mutierten Haupthaare blase ich mir geräuschvoll aus dem Gesicht, damit ich überhaupt noch etwas sehe, bringt aber nichts, denn die Brille ist von meinem heißen Atem eh beschlagen.

Werde ich es schaffen? Der Schlüssel sucht das Schlüsselloch, ein Klicken, die Haustür geht auf, mit meinem Kampfgewicht stemme ich mich dagegen, nehme zwei Stufen auf einmal, Haustür auf, schreie die Mitbewohnerin an: Alter, wie spät? Sie schreit: 17 Uhr 40! Du kannst es schaffen! Ich katapultiere meine arme Kunstledertasche in die Ecke, hole sie wieder vor, völlig vergessen Portemonnaie und Handy herauszuholen, werfe alles in meinen Rucksack, auch den Laptop, bereue es anschließend, aber zu spät, hoffentlich nicht kaputt. Wuchte den schweren Rucksack auf meinen Rücken, es macht kurz plopp, war bestimmt eine Rippe oder Milzriss, zurre den klobigen Koffer zu, vergesse meine frisch gekaufte Ananas im Kühlschrank, denke aber immerhin an die Donutbox, die ich zum Probieren mit nach Hause nehme, schreie die Mitbewohnerin an: Tschüss! Sie: Viel Glück! Und weg bin ich.

18 Uhr 15. Wie durch ein Wunder sitze ich im ICE nach Karlsruhe, da will ich zwar gar nicht hin, ich steige aber vorher in Hannover aus. Vor einer Stunde saß ich noch beim NDR und habe den Besuch von Howard Carpendale vorbereitet, dabei habe ich herausgefunden, dass er 1963 südafrikanischer Jugendmeister im Kugelstoßen war, das finde ich erwähnenswert, wieso er nicht dabei geblieben ist, weiß ich nicht, aber macht auch nichts, es bringt mich jedenfalls auf den Gedanken, was ich in meinem Leben schon alles gemacht habe, um Geld zu verdienen, und das ist nicht ohne, Junge, das ist wirklich nicht ohne.

Es folgt ein Bericht in Etappen über Lisas liebes abstruses Nebenjobleben. 

2 Kommentare:

Pablo hat gesagt…

Wie immer toll! :)

Aber wobei wünscht sie dir "viel Glück"? Was treibst du? :)

Lisa hat gesagt…

na zum Zug rennen!

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