09.06.2011

An den Leser

Wenn du
dieses Gedicht liest,
bin ich nicht mehr der,
der ich war,
als ich dieses Gedicht schrieb.
Die Zeit ist ein Dieb.
Sie hat mich
mit sich hinausgezogen.

Wenn ich sagte,
ich wär's jetzt,
dann wär das gelogen.
Doch du
bist jetzt da
und liest dies Gedicht.
Verflixt nochmal,
das wusste ich nicht.

Und doch sind wir
zu dieser Stunde
durch Worte
miteinander im Bunde.
Du bist jetzt hier,
und ich bin da,
was eben noch ganz anders war.

In Worten
kannst du ein Stück mit mir gehn
und Dinge mit mir gemeinsam sehn.
Vielleicht hilft's dir auch ein kleines Stück
zu einem für dich ganz eigenen Blick.
Du spürst aus Worten,
aus Rhytmus und Klang
vielleicht meinen Atem,
vielleicht meinen Gang.

Wie ich schaue,
wie ich hingucken tu,
die Füße auch barfuß
oder immer im Schuh?

Riecht meine Nase
noch aufmerksam hin,
und was haben die Ohren im Sinn?
Hab ich nur mit Gedanken gespielt
oder mit eigenen Händen gefühlt?
Kreuz und quer
klingen Worte in meinem Gedicht,
und dann spürst du das alles
oder auch nicht.

Doch immerhin
hast du's bis hierher gelesen,
bist mir wörtlich
auf der Spur gewesen.
Bald wird es gedruckt,
kriegt ein ernstes Gesicht.

Du hast's jetzt gelesen,
und ich kenne dich nicht,
doch du mich schon etwas
durch dieses Gedicht.
das mit den Zeilen
zu Ende geht:

Das war's
mach's gut,
ich geh -
es ist spät.
                                      
                                Frederik Vahle

1 Kommentar:

Lisa hat gesagt…

Dies ist übrigens ein Kindergedicht aus der Sammlung "Der Himmel fiel aus allen Wolken" von dem großartigen Frederik Vahle.

Twittern